Dominanz des Revolver-Denkens

von Muepu Muamba

Nach der Rückkehr der 1.500 deutschen Soldaten aus dem Kongo hört man hin und wieder überschwängliche Töne der Zufriedenheit wie "Mission erfüllt". Es ist ja sicher begrüßenswert, dass sie aus dem "Herzen der Finsternis", wie Joseph Konrad das Land nannte, unversehrt zurückkehrten. Man sollte jedoch nach dem "Für wen?" und "Warum?" fragen. Mission erfüllt, vielleicht im Interesse der Multinationalen, im Kampf gegen den Terrorismus oder die illegale Migration, da die Grenzen Europas inzwischen zunehmend nach Afrika verschoben werden. Sicher nicht für die Kongolesen, deren Schicksal immer noch von dichtem Nebel umgeben ist.

Nach den Wahlen in der DR Kongo und der Errichtung von Institutionen ist die wichtigste Frage, welche die Bevölkerung beschäftigt, ob diese Wahlen tatsächlich das Ende der Epoche des Handlanger-Herrschaftssystems bedeuten, das seit Leopold II. im 19. Jahrhundert im Lande errichtet wurde. Diese Frage stellte sich wiederholt, zuletzt nach der Ermordung von Patrice Lumumba, als 1960 die frisch entstandene demokratische Legitimität enthauptet und durch den Vasallenherrscher Mobutu ersetzt wurde. Das durch dieses Handlanger-Regime verursachte Trauma wird noch für Generationen die politische Kultur des Landes vergiften.

Jeder Politiker, der mehr oder weniger offen von der "internationalen Staatengemeinschaft" (Belgien, Frankreich, Großbritannien, USA) unterstützt wird, wird des Verrats bezichtigt - ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt. Diese Haltung trifft insbesondere auf die Bewohner der Hauptstadt zu. In Kinshasa sind alle Bevölkerungsgruppen des Landes repräsentiert, die Stadt ist eine Art "Resumee" des Kongo. Das erklärt auch, warum Joseph Kabila bei den Millionen Einwohnern der Hauptstadt so unbeliebt ist: Er wurde von westlichen Ländern und der UNO unterstützt.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass der EUFOR-Einsatz eine gute Übung in der weltweiten Terrorismusbekämpfung war, wie sie gerade jetzt in Somalia praktiziert wird. Von vielen wird der ruhige Verlauf der kongolesischen Wahlen der Anwesenheit der 1.500 Soldaten zugeschrieben. Diese Vorstellung zeugt von der Dominanz des "Revolver-Denkens" und der Verachtung gegenüber den Kongolesen.

Nach dieser maßlosen Überschätzung reichte die Anwesenheit von 1.500 Soldaten aus, um die fünf Millionen Einwohner Kinshasas und 50 Millionen Kongolesen in Schach zu halten. Natürlich stärkt diese Annahme das Selbstbewußtsein der Soldaten der Einsatz-Armee.

Die Dinge liegen aber etwas komplizierter. Zunächst einmal sind die Kongolesen der Kriege überdrüssig, sie haben die Gewalt satt. Sie wollen endlich Frieden. Anderseits ist hervorzuheben, dass die Kirchen im Lande in den letzten Jahren eine äußerst positive Rolle bei der Bewußtseinsbildung der Kongolesen gespielt haben; vergleichbar mit der ermutigenden Motiviation der Theologie der Befreiung in Lateinamerika. Sie riefen die Bevölkerung auf, während der gesamten Wahlkampagne Ruhe zu bewahren und Menschenleben zu schützen. Und ihr Wort gilt noch etwas, im Gegensatz zu dem der Politiker.

Die Kirchen sind die einzigen Institutionen im Kongo, die von der Bevölkerung respektiert werden. Hinzu kam noch die wichtige mutige Arbeit einiger lokaler Nichtregierungsorganisationen. Sie sind es, die die Fundamente zur "Citoyenneté" im Lande legten. Nicht vergessen sollte man die solidarische Unterstützung der internationalen Zivilgesellschaft, in Form von Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt, die eine große, nicht mit Geld aufzuwiegende, echte Hilfe war - und sicherlich auch in der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen wird.

Jetzt liegt es an den Politikern - an Kabila, Bemba u.a. - die Verdächtigungen zu entkräften, dass sie die Erfüllungsgehilfen ausländischer Mächte sind.

Während der letzten 40 Jahre waren die Kongolesen in Geiselhaft von Handlangern, waren dem "Revolver-Denken" ausgesetzt. Heute ist die Bevölkerung viel bewusster und wird das Vorgehen ihrer Politiker kontrollieren. Und das kann tatsächlich den Anfang einer echten demokratischen Entwicklung bedeuten!

(Übersetzung aus dem Französischen von Maria Németh)

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift einsEntwicklungspolitik - Information Nord-Süd, Frankfurt, Nr. 1-2007, Januar, S.25